Von der Billigspirituose der armen Leute zum heutigen High End Drink – Englische Gins

Dass Gin „in“ ist und in den letzten Zeiten wieder deutlich an Ansehen gewonnen hat, ist den meisten wahrscheinlich bereits aufgefallen. Und diejenigen, die sich mehr mit diesem Thema beschäftigten, haben wohl auch registriert, dass Gin schon lange mit Whisky, Vodka und Rum mithalten kann, wenn man sich Preise, Qualität und auch den Aufwand in der Herstellung ansieht. Dass ein Gin 50 Euro, 70 Euro und mehr kosten kann, verwundert nun kaum mehr. Dass man zwei, drei oder noch öfter destilliert ist vielleicht ebenfalls bekannt und ganz klar macht man bei der Suche nach den exotischsten und interessantesten Botanicals keine Kompromisse und mischt Granatapfel mit Damiana, Koriander, Angelika und Süßholz mit Zimt und vielem mehr.

Aber dass Gin noch vor nicht allzu langer Zeit als „Bathtub“ Gin verschrien und als „mother’s ruin“ betitelt wurde, das ist vielleicht weniger bekannt. Ja, in der Tat griff die Wacholderspirituose noch vor wenigen Jahrhunderten so in die Geschichte ein, dass es zu einer Ära des „Gin Craze“ kam und sich die Obrigkeit gezwungen sah mittels eines „Gin Acts“ einzugreifen. Gin Verbote, Abhängigkeiten bis in den Tod und die Royal Navy, die bis noch vor wenigen Jahrzehnten eine tägliche Portion Gin kredenzt bekamen, sind nur einige Stichworte, die fallen, wenn ein näherer Blick auf England und deren Beziehung zur Spirituose Gin geworfen wird.

Grund genug, einige der Phänomene näher zu betrachten, die die Engländer und den Gin seit jeher eng zusammenschweißten:

Gin – Eine englische Erfindung?

In der Tat kann man den Gin als englische „Erfindung“ bezeichnen, denn wenn die Ursprünge der Wacholderspirituose zwar im holländischen Genever ankern und man natürlich auch anderswo gerne einmal einen „Obstbrand auf Wacholderbasis“ im weitesten Sinne brannte, so ist es doch so, dass die Engländer sich auf diese Kunst spezialisierten.

Während des niederländisch-spanischen Kriegs von 1568-1648 unterstützten die Engländer die Holländer gegen die katholischen Spanier und kamen mit dem Genever in Verbindung. Aus dem (anfangs noch importierten) Genever wurde das einfachere Gin und nach und nach kamen in England die verschiedenen Stile wie Sloe Liköre, liebliche Old Toms und trockene London Gins auf, die bis heute die Gin Landschaft prägen.

England – In den Händen des Gin Wahns

Um Ihnen nur einmal eine kleine Vorstellung dessen zu geben, was damals für eine Gin Affinität herrschte: der Konsum des Wacholderdestillats überstieg während des 17. und 18. Jahrhunderts teilweise sogar den Konsum von Bier. Zu bedenken ist hier natürlich gleichsam, dass Gin einen deutlich höheren Alkoholgehalt aufweist als Bier oder auch Wein. Gin war jedoch aufgrund der damalig billigen Getreidepreise ein kostengünstiger Drink, der dadurch mehr und mehr in den untersten Gesellschaftsschichten konsumiert wurde. Ganz klar, dass deswegen der Ruf des Gins in jener Zeit stark zu leiden hatte und nach und nach der sogenannte „Gin Craze“ Einzug hielt.

Man muss es sich so vorstellen: Gin war damals keine sorgfältig destillierte Spirituose, bei der man die Botanicals liebevoll auswählte und tüftelte, bis das perfekte Geschmackserlebnis garantiert war. So mag es heute mit Hendricks, Beefeater, Tanqueray und Co. sein. Doch nicht so damals! Ziemlich alkohollastig, scharf im Geschmack und teilweise sogar mit Terpentin versetzt, war Gin im 18. Jahrhundert nur im allerweitesten Sinne mit unseren heutigen Wacholderdestillaten vergleichbar. Ganz klar, dass ein übermäßiger Genuss der damaligen Gins nicht unbedingt der Gesundheit zuträglich war. Abhängigkeiten, zunehmende Gewaltakte und hohe Sterberaten waren die Folge dieses Gin Wahns und der Grund dafür, warum man den Gin auch als „mother’s ruin“ bezeichnete.

Very sophisticated – Englands High Society entdeckt den Gin für sich

Nach dem Gin Act (der 1751 auf den Gin Craze folgte) verbesserte sich nicht nur die Lage in den Unterschichten, sondern man sorgte auch dafür, dass die Qualität des Gins durch Kontrollen und durch Vorgaben in der Herstellung gehoben werden konnten. Die Folge? London Dry und Old Tom Gins, die bis heute noch als Königsklassen der Gin Herstellung gelten.

Und die dann natürlich auch für die oberen Schichten interessant wurden. Gin war nun gesellschaftsfähig geworden und im 19. Jahrhundert zu einem absoluten It-Getränk avanciert. Und: in gewisser Weise wurde da auch der Grundstein für den heutigen Gin Hype gelegt, denn nun entstanden auch spannende Cocktailkreationen und die ersten renommierten Gin Häuser wie Tanqueray und Co.

Gin ist gesund – oder was der Gin in der englischen Medizin zu suchen hat

Nun, dass Gin gesund ist, darüber kann man natürlich streiten. Doch Fakt ist: zu Zeiten der Royal Navy und des britischen Empire bzw. Imperialismus war Gin ein täglicher Begleiter britischer Soldaten – und das von Afrika bis nach Indien. Immerhin wollte man den bitteren, herben Geschmack des chininhaltigen Tonikums abschwächen, das man zur Malaria Prophylaxe einnahm. Tonic wurde mit Gin gemixt und man stellte fest, dass die beiden eine tolle Kombination ergaben. Zitrone mit ins Tonikum und auch ins Glas – und man hatte auch noch dafür gesorgt, dass Skorbut nicht zum Thema auf Schiffen wurde.

Und was ist eigentlich ein Bathtub Gin?

Gin Verbote machen erfinderisch: egal ob Prohibition oder Gin Act, sobald man eine solch bekannte (und vergleichsweise einfach herzustellende) Spirituose wie Gin verbietet, streicht man sie nicht von den Getränkelisten sondern treibt sie in den Untergrund. Einfache und billig herzustellende Destillate werden dann in großen Behältern wie Badewannen („bathtubs“) für den heimischen Gebrauch destilliert und/oder in dunklen Gassen an den Mann gebracht.

Man kann sich vorstellen, dass dies sowohl der Gesundheit als auch dem Ruf der Spirituose Gin an sich schadete. Sodass die Bathtub Gins übrigens denn auch mit dazu beitrugen, dass Gin während der Mitte des 20. Jahrhunderts mehr und mehr in den Hintergrund geriet.

Und Professor Cornelius Ampleforth’s Bathtub Gin? Der hat natürlich geschmacklich wenig mit seinen Bathtub Brüdern gemeinsam, doch seine Herstellung als Small Batch Gin erinnert spaßeshalber an jene Zeit, die wir Gott sei Dank lange hinter uns gelassen haben.

Schauen Sie gerne bei Ginladen vorbei und entdecken Sie das große Sortiment an britischen (und englischen) Gins.

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